Abstimmung Pro Joki: Kommentar vor der Abstimmung - Genna Website 2018

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Kirchen im Berner Oberland > Johannesskirche Strättligen
Johanneskirche Dürrenast: Wegkommen vom "jeder gegen jeden"
Vorbemerkung: Ich bin weder Mitglied des Initiativkomitees noch des Vereins Pro Johanneskirche Thun-Strättligen. Ich engagiere mich auch nicht in meinen früheren beruflichen Funktionen, sondern als Mitglied der Kirche: Seit der Gymerzeit bis jetzt nach der Pensionierung habe ich immer in der reformierten Kirche mitgewirkt. Aufgewachsen und kirchlich sozialisiert bin ich in Strättligen, spätere war ich Kirchgemeinderatspräsident in einer Nachbargemeinde, heute bin ich freudiges Kirchenmitglied in Thun-Stadt. Ich vertrete die Haltung, dass sich die Kirche öffnen und ihre Gebäude wieder mit Leben füllen muss statt sich zurückzuziehen und in Agonie zu verfallen oder sogar den "Exit"-Knopf zu drücken. Aus dieser Haltung heraus sind meine Stellungnahmen entstanden.

Ungewollt bin ich in den letzten Wochen zu einem Exponenten für die Initiative "Pro Johanneskirche Thun-Strättligen" geworden. Ohne die unselige Informationsveranstaltung von Ende März im Kirchgemeindehaus Frutigenstrasse hätte ich mich nicht öffentlich engagiert; die Einseitigkeit und die Aggressivität der Behördenvertreter hat bei mir jedoch einen massiven Vertrauensverlust bewirkt. Da wurden Abwesende der Lüge bezichtigt, anwesende Initianten beschimpft und bedrängt, die Redezeit sehr ungleich verteilt. Ich bedaure es, dass der Kleine Kirchenrat nicht einen Gang zurückgeschaltet hat und im Dialog mit dem Quartier und auch mit der ganzen Gemeinde einen Ausweg gesucht hat. Wahrscheinlich hat man die Brisanz unterschätzt, wie ich selber auch. So wurde aus einer Sachfrage  eine Prestigefrage  - und das ist schlecht! Es geht nicht darum, wer gewinnt, es geht darum, ob wir für das kirchliche Leben und für die ganze Bevölkerung eine gute Lösung finden. Dabei hat der Kleine Kirchenrat vieles gut gemacht: Er hat sich frühzeitig mit den finanziellen Perspektiven auseinandergesetzt. Zum Streit geführt haben primär die unsinnigen und überholten Strukturen der reformierten Kirche in Thun: Die Gesamtkirchgemeinde ist für Infrastruktur und Finanzen zuständig, die Einzelkirchgemeinden sind für die Inhalte verantwortlich. Auf die Dauer kann dies  nicht gut gehen. Deshalb erleben wir im Moment das Theater "jeder gegen jeden, alle nur für sich selbst".  Davon sollten wir wegkommen.

Was ist, wenn die Initiative abgelehnt wird? Für mich ist das ein demokratischer Entscheid, der zu akzeptieren ist. Die Welt geht nicht unter  - auch die Kirche Jesu Christi überlebt es.  Leider wird sich die Hoffnung des Kleinen Kirchenrats auf eine Verbesserung der Finanzlage nicht erfüllen: Mit der Schliessung von polyvalent nutzbaren Zentren schottet sich die Kirche noch mehr ab statt dass sie sich öffnen würde. Interessanterweise gibt es gerade bei guten Freikirchen die gegenläufige Bewegung: Einige von ihnen machen heute jene Quartier- und Jugendarbeit, die ich mir eigentlich von "meiner" Landeskirche wünschen würde. Ich könnte dann nur hoffen, dass eine seriöse Freikirche (keine Sekte!) die Johanneskirche übernehmen würde. Denn die Hoffnung, die öffentliche Hand werde das Zentrum nahtlos übernehmen, scheint mir eher unrealistisch zu sein.

Was ist, wenn die Initiative angenommen wird? Das Wichtigste: Der Entscheid des Grossen Kirchenrats, die Johanneskirche Ende 2018 zu schliessen, würde aufgehoben! Es muss dann eine Auslegeordnung geben mit allen (nicht nur den kirchlichen) Nutzungen. Für mich ist es kein Tabu, dass Drittnutzungen in allen kirchlichen Gebäuden und Zentren gefördert werden. Ich denke da an kirchennahe Organisationen wie Freikirchen, Migrationskirchen (z.B. orthodoxe Kirchen) und sogar andere Religionen, die den Frieden suchen. In Frage kämen auch "weltliche" Nutzungen wie ein Kulturzentrum, Quartiertreffpunkte oder Jugendtreffen. Daraus könnte auch eine neue Trägerschaft wachsen, und ich bin überzeugt: die Kirchenmitglieder werden einer breiteren Nutzung oder Trägerschaft zustimmen, wenn dies das Resultat eines gemeinsamen Prozesses ist. In der Johanneskirche könnte man sofort das Einfamilienhaus (früheres Pfarrhaus) vermieten und sich so finanziell entlasten. Strukturell könnte man sich überlegen, alle Liegenschaften des Finanzvermögens in eine Immobilien-AG auszulagern, wie dies die Gesamtkirchgemeinde Bern gemacht hat.

Ich weiss, ich bin (zu) emotional geworden und bin "dreingeschossen", das bedaure ich umso mehr, als im Nein-Lager Leute stehen, die sich aus echter Ueberzeugung engagieren und die aus ihrer Optik durchaus korrekt Verantwortung übernehmen wollen. Mit dem Verhalten im Abstimmungskampf haben leider einige Exponenten Vertrauen verspielt, deshalb habe ich mich aufgeregt, nicht wegen der inhaltlich anderen Meinung. Ich vertraue darauf, dass die Abstimmung nun sorgfältig und korrekt durchgeführt wird, auch wenn ich die Löcher im Stimmkuvert und die einseitige Zusammensetzung des Abstimmungsausschusses Thun-Stadt nach wie vor nicht verstehe. Mir ging es nie darum, die Abstimmung zu verhindern, sondern um eine korrekte Abwicklung derselben, deshalb habe ich meine Beschwerde auch zurückgezogen. Die Argumente sind auf dem Tisch, die Abstimmung hat bereits begonnen. Nun sind die Stimmberechtigten an der Reihe.                                 
Anton Genna Thun, 13. April 2018
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