Kirche Zweisimmen - Christophorus und die Hornkuh - Genna Website 2019

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Von Boltigen bis Zweisimmen  -  von der Hornkuh zu Mauritius  - und natürlich zu Christophorus
An Pfingstmontag: die von Kathrin und Bernhard Kunz organisierte Pilgerwanderung durchs Simmental von Boltigen nach Zweisimmen, vgl. www.singabende.ch. Wie immer: Start mit Gesängen. Die Kirche Boltigen ist weniger attraktiv als die anderen Kirchen im Simmental, denn sie ist 1841 abgebrannt  - während des Gottesdienstes. Entweder hat der Pfarrer Pfeife geraucht oder er hat derart "heiss" gepredigt, dass das Gotteshaus in Flammen aufging. Die Kirche wurde rasch ganz hübsch wieder aufgebaut, im traditionellen Berner Stil. Zusammen mit dem daneben stehenden Pfarrhaus strahlt die Kirche etwas "Patrizisches" aus, obwohl 1843 die Zeiten des alten Bern eigentlich definitiv vorbei waren. Interessant ist , dass aus Boltigen immer wieder Politiker kommen, welche weit über die kleine Gemeinde hinaus Bedeutung erlangen. So war der erste Regierungspräsident des Kantons Oberland von 1798 bis 1800 der Boltiger Notar Samuel Joneli. Er diente vorher dem Ancien Régime, d.h. den Gnädigen Herrn von Bern, dann dem Napoleon, und als dessen Stern gesunken war, wechselte er wieder ins Lager der Konservativen. Heute würde man sagen, er sei ein Wendehals, doch das wäre ungerecht: Im Grunde genommen hat er einfach versucht, unter den jeweiligen Machtverhältnissen das Beste für seine ländliche Region herauszuholen.
Dasselbe machen auch heute die Leute von Boltigen mit ihrem Grossrat Thomas Knutti, ein Querkopf, welcher die Städter (und manchmal auch mich) zur Weissglut reizt. Im Moment ist das Hauptthema der Erhalt eines Spitals in Zweisimmen. Obwohl dies sowohl wirtschaftlich wie vor allem auch medizinisch ein absoluter Stumpfsinn ist, sind die Leute im oberen Simmental überzeugt, dass sie hier in den Krieg ziehen müssen. Dumm nur, dass sie damit gegen die eigenen Interessen handeln, denn ein Spitäli, an welchem im Jahr 100 Geburten stattfinden und alle paar Wochen ein Blinddarm operiert wird, kann mit Sicherheit nicht den medizinischen Standard bieten wie das Spital Thun, das in 40 Minuten mit dem Auto zu erreichen ist. Resultat: Wer etwas auf sich hält, lässt sich schon jetzt nicht in Zweisimmen operieren, sondern er oder sie geht lieber ins Spital Thun oder gar in ein Privatspital in Bern.....
Und doch habe ich Verständnis für diesen etwas irritierenden Kampf des Berner Oberlands gegen die "ds Bärn nide": Die Leute auf dem Land erfahren gerade, dass sie in unserer Gesellschaft die Verlierer sind, weil der nationale Zusammenhalt und die Solidarität in unserem Land schwinden. Nicht der sprachliche Röstigraben, sondern der Gegensatz Zentrum - Peripherie bedroht unsere Schweiz. Während in den Städten Trams im 5-Minuten-Takt verkehren, werden auf dem Land bestehende Angebote wie Post, Schulen, Spitäler abgebaut. Im Simmental gibt es auch praktisch keine Restaurants mehr. Somit gehen auch die Arbeitsplätze für die Jungen verloren, diese wandern aus oder bleiben höchstens als Pendler im Tal. Uebrigens: vor 40 Jahren hat Rudolf Strahm in einem Buch genau dieses Auseinanderdriften beschrieben und davor gewarnt, den Gegensatz nur zwischen reichen und armen Ländern zu suchen, vielmehr spaltet sich die Gesellschaft innerhalb der Länder. Leider ist dieses Buch heute aktueller denn je, schade dass niemand die darin enthaltenen Statistiken mal erneuert.
Immerhin: In Boltigen haben sie noch Hornkühe. Zur Freude meiner Margret haben die Hornkühe von Boltigen freundlich in die Kamera geschaut. Vielleicht gehört die Zukunft ja dem Hornvieh.
Auf der Wanderung gelangen wir irgend einmal auch an den Zusammenfluss der beiden Simmen, jener aus der Lenk und jener aus Saanenmöser.
Und in Zweisimmen begegnen wir dem Schutzheiligen der dortigen Kirche bereits am Bahnhof: der Heilige Mauritius aus der Thebäischen Legion steht in voller Rüstung da und bewacht die Bahn. Uebrigens: Lesen Sie doch die Legende von der Thebäischen Legion, dann stellen sie fest, dass der IS für seine Brutalität in der alten Geschichte schlimme Vorbilder hatte.
Schliesslich gelangen wir zur Kirche Zweisimmen, welche bereits an der Aussenwand mit tollen Fresken aufwartet: Ja, endlich begegnen wir meinem Lieblingsheiligen Christophorus wieder, hier in stolzer Grösse, ungebeugt von den Sünden der Welt. Daneben der Erzengel Gabriel, welcher der Maria die Ankunft des
Christuskindes verkündet. Und rechts vom Eingang ein Drache: richtig, es ist der Schutzpatron der Pfadfinder, der Heilige Georg, welcher den Drachen bekämpft, nicht etwa unser Thunersee-Heiliger Beatus. Im Inneren der Kirche eine ganze Bilderbibel an den Wänden, ganz toll restaurierte Fresken. Die Decke in Fomr eines umgekehrten Schiffs lässt eine gute Akustik vermuten, erstaunlicherweise erweist sich die Akustik als eher trocken beim Singen, doch ist dies für hochstehende Konzerte durchaus kein Nachteil. Die Gstaader Menuhin-Festspiele kommen deshalb ab und zu über den Berg hinüber und veranstalten hier Kammerkonzerte.
Beim Verlassen dieser schönen Kirche dann ein kleines Aergernis: von aussen ist das neu renovierte Beinhaus von 1481 gewiss ganz hübsch anzusehen, wenn man dann aber den Blick in dieses romanische Gebäude hinein wirft oder rundherum geht, erhält man den Eindruck eines Etikettenschwindels oder Potemkinschen Dorfs. Während ich noch von "Komprmiss" spreche, finden andere, es handle sich um eine ziemlich verunglückte Art der Restaurierung. Und mir kommt als Parallele die Verschandelung des Schlosses Oberhofen in den Sinn, wo ein Betonklotz vor das einzigartige Schloss hingestellt wurde. Leider scheint die Denkmalpflege des Kantons Bern hier einem Trend aufzusitzen: Ergänzungen sollen möglichst "modern" daherkommen. Nur widerspricht dies meiner Aesthetik. Aber eben: über Aesthetik lässt sich nicht gut streiten. Ich weiss: es war ein renommiertes Architekturbüro, das hier gewirkt hat, und beim schloss Oberhofen ein noch renommierteres. Nur entbindet mich das nicht davon, selber zu urteilen, wenn sich die Architektenwelt in einer "Blase" bewegt. Uebrigens: ich schätze moderne Architektur sehr, wenn sie in sich stimmig ist, ja ich bin sogar in gewisser Weise ein Fan des Beton Brut - Stils, vgl. Johanneskirche Thun. Nur eben: alles an seinem Ort. Deshalb habe ich das Beinhaus nur von vorne fotografiert, also den "antiken" Teil, an dem ich mich erfreue.
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