Kirche Frutigen - schlichter bernischer Barock - Genna Website 2019

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Dorfkirche von Frutigen  - Hallenkirche des bernischen reformierten Barock

Das Kandertal ist die Hochburg der evangelischen Freikirchen. Auch in Frutigen sieht man zahlreiche kleine Kapellen oder Vereinssäle. Von grosser Bedeutung sind zum Beispiel die Methodistengemeinde, die Gemeinde für Urchristentum (heute: Bewegung plus), der Brüderverein ("Bergerianer"), die Heilsarmee, die Pfingstmission und auch diverse kleinere Abspaltungen.

Dennoch: das Wahrzeichen der Christianisierung ist und bleibt die reformierte Kirche. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass schon im 8. und 9. Jahrhundert hier eine Kirche stand. Die romanische Vorgängerkirche ist allerdings im 18 Jahrhundert abgebrannt, deshalb wurde 1727 die heutige Kirche errichtet. Es handelt sich um eine typische Hallenkirche des bernischen Barock, erbaut von Abraham Dünz dem Jüngeren (in Steffisburg war es Dünz der Aeltere). Nun darf man sich darunter nicht einen barocken Prunkbau wie in Einsiedeln vorstellen, sondern in der Tradition der Reformation ist die Kirche schlicht gehalten, mit einzelnen Bibelstellen in Zierschrift an den Wänden zwar und mit einer Kanzel, an welcher neben dem Berner Wappen auch der Reichsadler zu sehen ist. Die Oberländer sind stolz auf ihre Reichsfreiheit, da kann ihnen auch die bis 1798 dauernde Berner Herrschaft wenig antun. Bis heute ist dieser Widerspruchsgeist den Menschen von Thun aufwärts, d.h. im Kanton Oberland, eigen. Nichts bringt sie mehr auf die Palme als jegliche städtisch-patrizische Anmassung, alles besser zu wissen als das "Volk". Die Kanzel ist dafür ein wunderbares Sinnbild: ein wenig Berner Bär ist ja schon recht, aber bitte schön immer vom Adler bewacht. Und wenns sein muss, wehren wir Oberländer uns halt mit dem Zweihänder.... ;-)

Bemerkenswert die Chorfenster mit der nacherzählten Passionsgeschichte; sie wurden von Paul Zehnder geb. 1884, verst. 1973 im Jahr 1940 gestaltet. Die Seitenfenster zeigen die Geschichten von Lazarus und vom verlorenen Sohn; es sind Werke des Berner Malers Rudolf Münger, sie sind 1897 und 1902 entstanden. Münger hat sich um die bernische Tradition (Trachten, viele Werke im Berner Oberland) sehr verdient gemacht, und die beiden Fenster in Frutigen sind sehr beeindruckend. Verwirrlich die Darstellung in der BEZG 01/11 von Gerrendina Gerber-Visser, welche die Seitenfenster Paul Zehnder zuschreibt, was m.E. falsch ist.

Sehenswert weiter der Orgelprospekt von 1809. Eine ausgezeichnete Darstellung der Kirchengeschichte im Frutigland findet man auf der Website der Bewegung plus (die Bewegung plus ist Teil der Evangelischen Allianz und ist mit den anderen christlichen Freikirchen freundschaftlich verbunden; in Thun stellt sie auch den Präsidenten der Allianz).
oben Kirche von unten und Chorfenster von Paul Zehnder
in der Mitte: Kanzel mit Reichsadler und Berner Bär
unten: Kirchenfenster Lazarus und der verlorene Sohn, gestaltet von Rudolf Münger
Die Bilder sind am 13.4.2018 entstanden anlässlich einer Wanderung von Frutigen bis Reichenbach
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