Johanneskirche Thun - Strättligen eine Skulptur aus Sichtbeton - Genna Website 2019

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Die Johanneskirche Thun Strättligen  -  christliche Betonskulptur aus den 60-er-Jahren

Die Johanneskirche Dürrenast wurde 1965 - 1967 erbaut, also in der Zeit, als ich Konfirmand in Strättligen war. Wurde ich noch in Scherzligen konfirmiert, so war der Jahrgang meines Freundes 1951 dann der erste, der in der Johanneskirche konfirmiert werden konnte. Früher mussten die Dürrenästler sogar in die Stadtkirche, weil es keinen geeigneten Raum gab. Wir im Dürrenast sehnten uns nach einer "Heimat".
Der Kleine und Grosse Kirchenrat der Gesamtkirchgemeinde Thun wollten die Johanneskirche schliessen, dies als Zeichen für den Sparwillen angesichts der rückläufigen Mitgliederzahlen. Man findet es heute modern und zeitgemäss, Kirchen zu schliessen, und man ist sich nicht bewussst, welche Zeichen man so aussendet. Manchmal hat man das Gefühl, man schämt sich, als Christen wahrgenommen zu werden, auf allen Ebenen sind Kirchenleitungen daran, dem Zeitgeist nachzurennen: Die Schliessung einer Kirche ist das eine, die innere Abnabelung von christlichen Werten das andere. Mit einer Initiative haben einige mutige Gemeindeglieder von Thun-Strättligen erreicht, dass die Kirche zumindest nicht sofort geschlossen wird, sondern dass nun eine Auslegeordnung erstellt wird.

Wer moderne Architektur versteht, wird bald spüren, dass diese Kirche kein langweiliger Zweckbau ist, sondern Qualitäten hat  - natürlich nicht vergleichbar mit der romanischen Scherzligenkirche oder der patrizischen barocken Stadtkirche auf dem Schlossberg. Es ist eine Kirche für das einfache Volk, für Arbeiter, Bewohner der Genossenschaftswohnungen rundum, für nüchtern denkende, vielleicht auch "kirchenferne" Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts, welche aber bei der Kirche bleiben, weil sie den sozialen Gedanken gut finden und weil sie die Kirche auch als "quartierprägend" empfinden. Ob sie deswegen schlechtere Christen sind als die Kerngemeinde und angestellte Kirchenprofis?
Warum ich mich für den Erhalt dieser Kirche eingesetzt habe? Mir geht es nicht darum, einen "geweihten" Raum zu erhalten, wie kürzlich im reformierten Kirchenmagazin "bref" einmal mehr wahrheitswidrig behauptet wurde. Sorry: ich bin reformiert und kenne den Unterschied zwischen der katholischen und der reformierten Auffassung eines "geweihten Raums". Natürlich kann man auch mal eine Kirche schliessen, wenn man sie nicht mehr braucht, man kann sie auch abbrechen, ohne dass dies eine Gotteslästerung ist.  Die Johanneskirche ist aber gerade ncht nur eine Kirche oder ein "heiliger Raum", sondern sie bietet als eigentliches Gemeindezentrum Gelegenheit zu mannigfachen Nutzungen. Neben der eigentlichen Kirche, die als solche konzipiert ist, gibt es angrenzend einen Gemeindesaal, der mit der Kirche als Einheit genutzt werden kann, es gibt eine Küche, es gibt Konferenzräume etc. Und für all das besteht im Quartier eine grosse Nachfrage, die Strättliger (zu denen ich als Kind und Jugendlicher gehörte) haben lange auf diese Kirche "planget"  - man kann diese Errungenschaft nicht einfach mit einem Federstrich vom Schreibtisch aus eliminieren. Deshalb bin ich froh, dass das Kirchenvolk dem Johanneszentrum eine Chance gegeben hat  - ob man diese Chance nun nutzt oder ob man weiter in den Schützengräben verharrt, wird der Kleine Kirchenrat nun entscheiden müssen. Man kann hoffen, dass er Grösse zeigt und einen ehrlichen Dialog in Gang setzt.
Der frühere Denkmalpfleger der Stadt Bern, Dr. Bernhard Furrer, hielt am 5.4.2018, ein höchst interessantes Referat mit Führung vor und im kirchlichen Zentrum. Er bezeichnet diese Kirche als eine der bedeutendsten Bauten aus der Zeit des Sichtbetons. Architekt war Werner Künzi, ein erfolgreicher Architekt mit Heimatort Uebeschi, der auch die Kirche Bethlehem-Bern entworfen hat. Künzi hat viele Wettbewerbe gewonnen, immer wenn er teilgenommen hat, gehörte er rasch zu den Favoriten, auch in Strättligen stellte er sich dem Wettbewerb.  Hier finden Sie noch eine kurze Zusammenfassung, im Thuner Tagblatt erschien ein umfassendes und sehr gutes Interview mit Dr. Furrer. Die Kirche ist eine eigentliche Skulptur aus Sichtbeton, die mit vielen verborgenen Symbolen zu uns spricht: die Dachform entspricht den ausgebreiteten segnenden Armen, der freistehende Turm weist auf die göttliche Dimension hin, und im Inneren sorgen viele kaum sichtbare Details für eine ganz besondere Atmosphäre: nicht parallele Wände ergeben eine perfekte Akustik ohne Ueberlagerung der Schallwellen, Oberlichter mit Betonlamellen sorgen für blendfreies Licht auf der Kanzel, die Kanzel ist so aufgestellt, dass sich der Pfarrer bei geöffneter Trennwand gleichzeitig an die Menschen in der Kirche wie im Pfarrsaal wenden kann.
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