Kirche Konolfingen - Genna Website 2019

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Apokolypse in der Kirche Konolfingen

Es ist eine düstere Sache  - draussen regnet es, es ist erstmals so richtig ungemütlich im Herbst 2019. Wir brechen unsere Wanderung rund um Häutligen vorzeitig ab und kommen an der Kirche Konolfingen vorbei, eine architektonische Wüste sondergleichen. Ursprünglich wurde die Kirche 1898 erbaut, davon ist aber praktisch nichts mehr erhalten. Die heutigen Proportionen stammen von 1938, vor wenigen Jahren wurde die Kirche nochmals völlig umgestaltet, heller gemacht, sicher, doch irgend ein architektonisches Konzept ist nicht erkennbar,  weder alt noch modern, weder heimelig noch futuristisch,  zu viele Köche (Denkmalpflege, Kirchgemeinde, Sponsoren...) verderben halt den Brei, und man riecht den Kompromiss. Was solls: wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich unter ihnen, das gilt auch hier,  lassen wir also unsere subjektiven ästhetischen Betrachtungen.
Und dann wenn man sich umdreht und die Fenster auf der Seite betrachtet: da wirft es einen fast um. Ein Fenster nur schwarz-weiss. Nicht so, wie man sich ein Kirchenfenster vorstellt, farbenprächtig, mit Figuren und Farben spielend. Nein: zuerst einfach schwarze Blöcke. Da bricht die Welt zusammen, Felsen stürzen herab, alles geht in die Brüche. Ein Fenster, das erst vor rund 10 Jahren nach einer Vorlage von Friedrich Dürrenmatt gestaltet wurde, mit dem Namen Apokalypse in Konolfingen. Charlotte Kerr, Dürrenmatts zweite Frau, hat angeregt, eine der letzten Zeichnungn des Dichters aus dem Jahr 1989 als Kirchenfenster zu gestalten.  Zum Glück ist die Kirchgemeinde darauf eingegangen, gar nicht selbstverständlich, denn Dürreenmatt war ja in Konolfingen ein enfant terrible  - wahrscheinlich hochbegabt und deshalb in der Schule eher ein schwieriges Kind.

Friedrich Dürrenmatt war ja nicht nur Maler, sondern in erster Linie Dichter, mein Lieblingsdichter. Sicher: auch Max Frisch hat mich immer fasziniert, er wird dann aber bald langweilig. Hingegen Dürrenmatt: wortgewaltig wie Jeremias Gotthelf, er schleudert uns die Helvetismen wie Kanonenkugeln um den Kopf. Seine Dichtungen: Apokalypse pur. Ich kann mich erinnern: Ich besuchte den Gymer, als der "Meteor"  im Schauspielhaus Zürich einen Skandal auslöste, und auch im Scala-Theater Thun gab es Pfiffe, wahrscheinlich nicht  von meinen Gymer-Lehrern, die Dürrenmat allerdings als dekadent empfanden, die aber nie so unfätig reagiert hätten, ihren Unmut durch Buhrufe auszudrücken. Mich faszinierte das Stück. Ja es fasziniert mich bis heute: da kann einer nicht sterben, obwohl er es möchte, und nicht einmal die Heilsarmee mit ihren Liedern kann in dieser apokalyptischen Szene helfen: Schwitter kann nicht sterben, Hölle auf Erden, "wann krepiere ich endlich"   - und dann fällt der Vorhang, für uns Zuschauer, nicht aber für den Theaterhelden Schwitter, der ewig weiter leben und leiden muss  -  unerlöst. Unerlöst? Daran erinnere ich mich, als ich dieses eindrückliche Kirchenfenster in der Konolfinger Kirche sehe.
Trotzdem: ich kann an keiner Kirche vorbei gehen, ohne rasch einzutreten. Und da gibt es einige Ueberraschungen. Der Raum an sich sehr eckig, kein "warmer und wärmender" Ort, und warum man heute noch starre Kirchenbänke einbaut, wenn man schon alles umstellt, kann wohl nur die bernische Denkmalpflege erklären, die an Bänken festhält, auch wenn es eigentlich nichts zu schützen gibt. "Mir hei das im Kanton Bärn immer so gmacht  - mir wei nüt nöjs afah". Zum Glück hat die Denkmalpflege früher mal zugelassen, dass im Chor wunderschöne Kirchenfenster von Cäsar Adolf Schmalz eingebaut werden konnten. Diese sehr feinen pastellfarbenen Fenster faszinieren gerade mit ihrem "Understatement", nichts Schreiendes, sondern sehr diskret im Hintergrund, typisch emmentalisch wohl. 1939 wurden die Fenster eingebaut, sie spannen den Bogen von der Geburt Jesu bis zur Auferstehung, und in der Mitte das Kreuz. Für mich eine Entdeckung.
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