Heiligabend - Jesulein im Krippelein, oder Flüchtlingsschiff? - Genna Website 2018

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Die Johanneskirche Bern bietet einem Flüchtlingsschiff Asyl

Eine kleine Weihnachtsgeschichte: Da hat der Berner Künstler Heinz Lauener ein Flüchtlingsschiff gestaltet - ein aktuelles Thema, man nennt diese Kunst "art brut", sie ist nicht besonders schön, aber faszinierend und fesselnd mit den Figuren, welche nach einem besseren Leben Ausschau halten und deren Leben akut in Gefahr ist. Das Flüchtlingsschiff stand einen Monat lang in der Heiliggeistkirche Bern, wurde in einer Prozession mediengerecht dorthin gebracht. "Seht her, die Kirche ist solidarisch mit den Flüchtlingen....". Und die kirchlliche Presse überschlug sich mit Lob für diese Aktion.

Am 24.12.2018 sollte das Schiff jedoch die zentrale Kirche von Bern verlassen  - vielleicht sympatomatsch für eine Kirche, in welcher man "Schönwetter-Politik" betreibt, die sich progressiv gibt, aber dann eben doch dieses gruusige Flüchtlingsschiff als störend empfindet, wenn es an Heiligabend in Konkurrenz zu Ochs, Eselein und dem süssen Jesuskindlein  gerät. Was hat dieses Schiff denn in einer Kirche verloren?  Weihnachten ist doch Jesulein im Krippelein mit Eselein und alle anderen "leins".

Meine erste Reaktion: Eigentlich verrückt: ausgerechnet an Heiligabend ist kein Platz in der Herberge, bzw. in der Kirche.....  Austreten aus diesem Verein, wie die Frauen, welche vom vermeintlich progressiven Papst Franziskus enttäuscht waren, weil er Schwangerschaftsabbrüche als Auftragsmorde bezeichnete, welcher Frauen immer noch als minderwertig ansieht und vom Priesteramt ausschliesst, welcher sexuelle Ausbeutung nur halbherzig bekämpft. Da kommt doch die Galle hoch, wenn es die reformierte Kirche Zwinglis nicht besser macht.

Halt! Warten Sie und verstehen Sie, was Kirche eben auch ist. "Wach auf du kalte Kirche",  haben Protestanten vor vielen Jahren an die Heiliggeistkirche geschrieben. Und tatsächlich hat sich die Heiliggeistkirche geöffnet, das will ich ja nicht leugnen. Nur eben: die Haltung zum Flüchtlingsboot sendet ebensolche empörende Signale aus wie der vermeintlich progressive Papst. Vergesst also die offizielle Kirche, die Amtskirche, die schlafende Kirche der besorgten Behörden, die nicht anecken wollen, schon gar nicht beim Thema Flüchtlinge, an welchem man sich nur die Finger verbrennen kann. Es gibt sie nämlich noch, die "andere Kirche":
Ja, es gibt sie noch, die aufgewachte Kirche, es gibt sie sogar im Kanton Bern. Das Schiff fand nämlich Asyl in der Johanneskirche Bern, es wurde an Heiligabend dorthin verlegt  - ohne Medienrummel, ohne grosses Aufsehen, sondern weil sich der Kirchgemeinderat seiner Verantwortung bewusst war und im Stillen ein Zeichen setzte: An Heiligabend muss es Platz haben für das Künstler-Flüchtlingsschiff, wenn nicht in der noblen Herberge (Barockkirche Heiliggeist) so halt im Stall, bzw. in der Quartierkirche Johannes im Breitenrain. Und nun ist das Schiff im Chor dieser Kirche aufgestellt, unübersehbar, überdimensioniert.  Es steht dort neben den wunderschönen Krippenfiguren. Niemand hat das Boot bestellt, niemand hat Freude, dass es da ist  - genau wie bei den echten Flüchtlingsbooten, die übers Mittelmeer kommen. Doch nun ist es halt da  - und es erinnert an Menschen, welche ihre Heimat nicht freiwillig verlassen haben. Es erinnert an die Geschichte in der Bibel, als ein junges Paar keinen Platz in der Herberge fand, sondern schliesslich in einem Stall bei Esel und Ochs unterkam  - das war übrigens nichts Romantisches, und auch kein Königspalast wie in den Sissi-Filmen. Trotzdem wurde aus diesem süssen Kind später ein "Chünig gross", ein unbequemer, einer gegen den Maninstream, einer der behauptete, eher werde ein Kamel durch ein Nadelör kommen als dass ein Reicher in den Himmel komme. Der war nicht stets das liebliche Kind mit den Engelein, sondern der war einer, der es wagte, der Obrigkeit entgegenzutreten und für die Armen einzustehen, auch wenn es ihm am Schluss das Leben kostete  - Weihnachten und Karfreitag gehören halt leider zusammen, auch wenn das einigen Leuten nicht so passt.

Christsein heute  - danke dem Kirchgemeinderat Johannes Bern, der Weihnachten Platz einräumte durch diese symbolische Geste. Und danke für den wärmenden Gottesdienst vom Weihnachtstag, als die Pfarrerin ihre vorbereitete Predigt im Papierkorb entsorgte und sich sehr feinfühlig, zur Flüchtlingsproblematik und zum Flüchtlingsschiff äusserte: "Es kommt ein Schiff geladen...... " haben wir gesungen  - und verstanden, dass diese Botschaft uns hier und jetzt etwas angeht. Uebrigens ein Tipp an alle, die an der Kirche verzweifeln oder aus ihr ausgetreten sind: Es lohnt sich, die Gottesdienste in der Johanneskirche zu besuchen. Sie sind vielleicht weniger "wortgewaltig" als in den Stadtkirchen, aber sie sind wunderschön stimmig und berühren auch übers Jahr das Herz. Also: nicht austreten, sondern mitgestalten und Einfluss nehmen  - so wie es der Kirchgemeinderat Johannes getan hat. Und noch etwas: Die Johanneskirche ist in ihrer Schlichtheit ein echtes Bijou, schon allein deswegen lohnt sich ein Besuch mehr als im Münster oder in anderen herausgeputzten Touristenkirchen im Kanton Bern.
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